Der VfB auf dem Prüfstand in Leipzig: Wie Stuttgart für das Spitzenspiel plant
Stuttgart. Die Zahlen sprechen für den VfB Stuttgart. Platz drei in der Liga, 21 Punkte, eine Selbstverständlichkeit im Spiel, die man nach dem holprigen Saisonstart so schnell nicht für möglich gehalten hätte. Nur die Gegner – sagen Kritiker – sprächen bislang eher für die Kategorie Pflichtaufgabe als für die der Reifeprüfung. Das ändert sich nun. Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) spielt der VfB beim Tabellenzweiten RB Leipzig, gegen den die Stuttgarter zuletzt viermal in Folge gewonnen haben. Und doch klingt Trainer Sebastian Hoeneß vor dem Duell so, als wisse er genau, dass dieses Spiel etwas über seine Mannschaft verraten wird.
„Ich würde das nicht als ersten Prüfstein bezeichnen“, sagt er. „Wir haben vorher auch Bundesliga gespielt – gegen Mannschaften, die absolut ihre Berechtigung haben, eine sehr gute Rolle zu spielen.“ Das ist höflich. Aber natürlich weiß Hoeneß: Spiele wie dieses – in Leipzig, gegen Tempo, gegen Pressing, gegen einen Gegner, der selbst an sich glaubt – sind die, an denen man den Unterschied erkennt. Zwischen einem guten Team. Und einem sehr guten.
Die Kunst des Unaufgeregten
Der VfB reist mit jener Gelassenheit, die Hoeneß seinem Team eingeimpft hat. Selbst die erste Mini-Sorgenliste klingt in Stuttgart inzwischen nach Normalbetrieb. Dan-Axel Zagadou fehlt wegen muskulärer Probleme, Tiago Tomas ist angeschlagen, vielleicht reicht es, vielleicht nicht. Kein Drama, kein Alarm. „Wir entscheiden nach dem Abschlusstraining“, sagt Hoeneß. Leipzig, warnt er, sei „in sehr guter Form“ und „eine Mannschaft der Stunde“. Das ist sie tatsächlich: Nach dem 0:6 zum Auftakt gegen die Bayern hat das Team von Ole Werner kein Spiel mehr verloren. Und auch Werner, ein stiller Stratege, scheint aus dem Leipziger Umbruch einen Plan gemacht zu haben. „Er hat sofort eine klare Idee vermittelt“, lobt Hoeneß.
Man könnte das Spiel in Leipzig als eine Art Vermessung des neuen VfB lesen. Wie weit trägt die Entwicklung, die in Stuttgart so leise, so vernünftig und so effizient verlaufen ist? In der Tabelle steht der VfB dort, wo man früher die Großen vermutete. In der Spielweise aber steckt nach wie vor viel Demut: kluges Anlaufen, hohe Präzision, kaum Spektakel – aber große Überzeugung.
VfB-Kapitän Karazor, der Unaufgeregte
Ein Symbol dafür ist Atakan Karazor, der Kapitän, der sich im Pokal in Mainz sogar als Torschütze versuchte – erfolgreich. Ein Sechser, der sonst nie laut wird und gerade deshalb wirkt wie das Herzstück dieser ruhigen Macht. „Er ist kapitänslike mit der Situation umgegangen“, lobt Hoeneß. „Unaufgeregt, reflektiert.“ Karazor weiß, dass er gerade um seinen Platz kämpfen muss – und dass genau das die Mannschaft stark macht.
Das Spiel in Leipzig ist das erste von fünf schweren bis zum Nikolaustag: Dortmund, Bayern, dazu Augsburg und Hamburg. Es sind Wochen, die zeigen werden, ob der VfB seine neue Stabilität auch dann behält, wenn die Gegner ihn zwingen, mehr zu reagieren als zu gestalten. „Die Punktzahl, die man aus den Spielen holen kann, ist die gleiche“, sagt Hoeneß – und meint damit: Wir wollen uns nicht verbiegen lassen.
Und doch schwingt zwischen den Zeilen eine Ahnung mit: Dass dieser Samstag vielleicht doch mehr ist als nur das nächste Spiel. Dass in Leipzig ein bisschen Zukunft anklopft. Denn wer sich einmal festgespielt hat in den oberen Tabellenetagen, der wird irgendwann nicht mehr gefragt, ob das verdient ist. Sondern nur noch, wie lange er dort bleibt.
So könnten die Teams starten
RB Leipzig: Gulacsi - Baku, Orban, Lukeba, Raum - Seiwald - Ouedraogo, Baumgartner - Bakayoko, Romulo, Nusa
VfB Stuttgart: Nübel - Hendriks, Chabot, Jaquez - Assignon, Karazor, Stiller, Mittelstädt - Bouanani, El Khannouss - Undav
Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen)




